1. Vollständige Angaben:
Philippe Masson: Die deutsche Armee - Geschichte der Wehrmacht 1935 - 1945
Vorwort und Anmerkungen von J.A. Graf Kielmansegg (Hrsg.)
560 Seiten, €14,90 bei Amazon
Herbig-Verlag 1996, ISBN 3-7766-1933-3
2. Inhalt:
Unter 'Armee' versteht der französische Militärhistoriker Masson auch Luftwaffe und Marine.
Geschildert werden der Aufbau, die frühen Erfolge und die katastophale Niederlage der Wehrmacht - und vor allem, wie es dazu kommen konnte.
Natürlich spielt dabei die Person Hitlers eine große Rolle: zuerst als Befreier von den 'Fesseln von Versailles' und als treibende Kraft für eine Modernisierung, dann als 'genialer' Angriffsfeldherr gegenüber einem zögerlichen Generalstab und schließlich als Oberbefehlshaber der Wehrmacht, der sich in jede Kleinigkeit einmischt.
Masson stellt besonders das '2-Klassen-Heer' heraus: einerseits die Panzer- und mot. Divisionen, die mitsamt der 'Blitzkrieg'-Doktrin bis zum Kriegsende Vorbild für alle anderen Nationen bleiben, andererseits die Masse der Inf.-Divisionen, die sich kaum von den unbeweglichen Einheiten des 1. WK unterscheiden.
Auch vergisst er nicht, dass die Erfolge 1939 - 41 nicht nur auf die Stärke der Wehrmacht, sondern auch auf die Schwächen der Gegner zurückzuführen waren.
Last, but not least geht er intensiv auf die Motivation der führenden Militärs und der einfachen Soldaten ein. Warum ließ sich der Generalstab von Hitler das Heft aus der Hand nehmen? Warum scheiterte der Widerstand? Warum fochten deutsche Soldaten an der Ostfront bis zum bitteren Ende heldenhaft, obwohl sie wussten, dass der Krieg längst verloren war?
3. Meine Meinung:
Das Buch ist gut geschrieben, recht spannend und einfach zu lesen. Wenn ich daran denke, welche sprachlichen Monster manch anderer Historiker raushaut ...
Den Inhalt sehe ich mit gemischten Gefühlen. Es wird im Klappentext und anderen Rezensionen stark betont, dass Masson als Franzose ja über die Maßen objektiv und neutral sei. Anders als viele deutsche Historiker ziehe er nicht die gesamte Wehrmacht als eine Bande von Kriegsverbrechern in den Schmutz.
Nun ja ... Masson verschweigt nicht, dass es Kriegsverbrechen gab; dies ist aber keinesfalls ein Schwerpunkt.
Ganz nebenbei: deutsche Geschichtsbewältigung nach Art der 'Wehrmachtsausstellung' mit ihren gefälschten 'Beweisen' finde ich auch zum Kotzen.
Aber Masson schüttet m.E. das Kind mit dem Bade aus - nicht so sehr in seiner Beurteilung der Wehrmacht.
Hitler jedoch wird von ihm anscheinend wirklich als 'GröFaZ' gesehen, der sich mit seinen genialen Ideen ständig gegen einen unfähigen und defaitischen Generalstab durchsetzen musste. Dass sich das Buch auf Hitlers Rolle als Feldherr beschänkt, ist OK. Aber auch auf diesem Gebiet hätte Masson viel kritischer sein müssen!
Besonders ärgerlich sind auch viele falsche Details. Z.B. herrscht beim 'Marineexperten' Masson ein heilloses begriffliches Durcheinander (dasselbe Schiff ist mal Kreuzer, mal Schlachtschiff und mal Panzerschiff), und auch mit sonstigen Fakten geht er sehr schludrig um.
Und hier kommt der Graf Kielmansegg ins Spiel. Der macht einen wesentlich kompetenteren Eindruck - er war schließlich dabei, u.a. 1942 - 44 im OKH.
Seine äußerst bärbeißigen (!) Fußnoten, in denen er Massons Fehler korrigiert, sind echt amüsant und vor allem informativ! Irgendwie erinnert das Paar Masson - Kielmannsegg an Gerhard Delling und Günter Netzer *g*.
Oft kämpft Kielmansegg aber auch gegen Windmühlenflügel, d.h. er bekrittelt Aussagen Massons, die dieser so gar nicht gemacht hat!
4. Fazit:
Ein Werk mit Licht und Schatten. Als Einstieger in die Materie kann man viel daraus lernen. Um jedoch die vielen falschen Details und teilweise auch Schlussfolgerungen zu erkennen, muss man eigentlich selber ein halber Historiker sein. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Bedingt empfehlenswert, 'Schulnote': 3-
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