Zitat von ArteTeil 1 Dienstag, 4. Dezember 2012 um 20.15 Uhr
Wiederholungen: 08.12.2012 um 14:55 15.12.2012 um 12:10 Frankreich und die deutsche Besatzungszeit (1/2) (Frankreich, 2012, 53mn) ARTE F Regie: Serge de Sampigny
Ein junger französischer Widerstandskämpfer, der inkognito mit Freunden in einem Fluss badet; eine Französin, die mit einem Wehrmachtsoffizier spazieren geht; ein Franzose, der einen von Deutschen errichteten Folterpfahl fotografiert. - Wie reagierten die Franzosen auf die Besetzung ihres Landes durch die Deutschen und wie dachten die deutschen Soldaten in den Jahren 1940 bis 1944 über die Franzosen? Ausschließlich aus Privatbesitz stammende Filmaufnahmen dokumentierten das Verhältnis zwischen Franzosen und Deutschen abseits der Schlachtfelder während des Zweiten Weltkriegs. Der erste Teil zeigt den Beginn der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht und wie sich gegenseitige Antipathie manchmal in Sympathie wandelte.
(1): Die Zeit der Sieger Eine junge Französin lässt sich während der Massenflucht der Franzosen im Mai und Juni 1940 küssen; in einer Kaserne von Le Mans wechselt ein französischer Polizist einen herzlichen Händedruck mit deutschen Soldaten; an einem Strand grüßt ein Paar freundlich deutsche Soldaten und reicht ihnen ihre kleine Tochter, damit sie sie auf den Arm nehmen. Waren die Besatzer tatsächlich so freundlich wie auf diesen Bildern? Im Mai 1940 machen sich acht Millionen Franzosen auf die Flucht, weil sie die Schreckensherrschaft der "Boches", wie der Erbfeind damals genannt wurde, fürchteten. Einer der Überlebenden erzählt: "Seit 1914 sagte man uns immer wieder, sie (die Deutschen) schnitten den Kindern die Arme ab und töteten überhaupt alle." Daran misst sich die Erleichterung, die sich nach den ersten Besatzungstagen breitmachte, weil die Besatzer sich "correct", also anständig verhielten. "Es waren Menschen wie alle anderen auch", resümiert Suzanne Mallègue das allgemeine Gefühl, während ein Film zeigt, wie sich die Deutschen in ihrem Jura-Dorf einrichteten. Dieses sich wandelnde Misstrauen gegenüber dem Erbfeind und nicht etwa den Nazis gegenüber ist ein zentrales Thema der Dokumentation. Es wirft ein erhellendes Licht auf das zögerliche Verhalten der Franzosen gegenüber den Besatzern.
Die ausschließlich aus Privatbesitz stammenden Amateurfilme der zweiteiligen Dokumentation bilden ein höchst aufschlussreiches Gegengewicht zu der häufig zu sehenden Darstellung, die sich auf Schlachtfelder und politische Szenen konzentriert. Eine intensive Suche in Frankreich und Deutschland bei Privatleuten und Sammlern förderte mehrere Dutzend Filme zutage. Sie legen Zeugnis ab vom Alltag, von den Ansichten und Vorstellungen der Menschen jenseits der großen Ereignisse. Was bringen diese Bilder Neues, wie sind sie zu interpretieren? Der Unterstützung des Historikers Pierre Laborie, der die öffentliche Meinung unter dem Vichy-Regime erforscht, und Stefan Martens vom Deutschen Historischen Institut in Paris ist es zu verdanken, dass die Autoren der Filme und Fotos in Frankreich und Deutschland ausfindig gemacht wurden. Sie kommentieren ihre Aufnahmen und erklären, wie sie die Besatzung vor 70 Jahren erlebt haben.
Zitat von ArteTeil 2 Dienstag, 4. Dezember 2012 um 21.10 Uhr
Wiederholungen: 08.12.2012 um 15:45 15.12.2012 um 13:05 Frankreich und die deutsche Besatzungszeit (2/2) (Frankreich, 2012, 56mn) ARTE F Regie: Serge de Sampigny
Ein junger französischer Widerstandskämpfer, der inkognito mit Freunden in einem Fluss badet; eine Französin, die mit einem Wehrmachtsoffizier spazieren geht; ein Franzose, der einen von Deutschen errichteten Folterpfahl fotografiert. - Wie reagierten die Franzosen auf die Besetzung ihres Landes durch die Deutschen und wie dachten die deutschen Soldaten in den Jahren 1940 bis 1944 über die Franzosen? Ausschließlich aus Privatbesitz stammende Filmaufnahmen dokumentierten das Verhältnis zwischen Franzosen und Deutschen abseits der Schlachtfelder während des Zweiten Weltkriegs. Der zweite Teil der Dokumentation schildert den wachsenden Unmut der Franzosen über die andauernde Besetzung ihres Landes durch die Deutschen. Einquartierung der Deutschen und Requirierung von Lebensmitteln machen ihnen ebenso zu schaffen wie die zunehmende politische und soziale Unterdrückung.
Sich durch das anständige Verhalten der Deutschen in Sicherheit wähnend und durch das Ausmaß der Niederlage entmutigt, tun sich die Franzosen auch nach einem Jahr Besatzung noch schwer, das Regime, das praktisch ganz Europa erobert hat, richtig einzuschätzen. So sind viele der Ansicht, die deutschen Soldaten machten einfach ihre Arbeit, ohne groß zu stören. Aber angesichts der zunehmenden Plünderungen und der Hinrichtungen von Geiseln als Antwort auf die gegen die Besatzungstruppen verübten Attentate öffnet sich allmählich eine tiefe Kluft zwischen Besatzern und Besetzten. Seit dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 werden in ganz Frankreich Kommunisten festgenommen. Im Oktober 1940 ergeht der Erlass des Vichy-Regimes, Juden auszuschließen. Im Mai 1941 organisieren die deutschen Besatzer die erste Massenrazzia in Paris und bringen die Juden in Lager. Aber wer begreift in den ersten Kriegsjahren wirklich die Lage? Sind die deutschen Soldaten selbst im Bilde über das Ausmaß der in Frankreich organisierten Verfolgungen? Nach zwei Besatzungsjahren wächst der Unmut der französischen Bevölkerung über die Präsenz der Deutschen. Die Schlangen vor Lebensmittelgeschäften werden länger. Die Franzosen hungern. Ab dem Sommer 1942 schließen sich Tausende Franzosen der Résistance an. Doch keineswegs alle Franzosen gehen in den Widerstand. Manche sehen in der Nachahmung Nazi-Deutschlands immer noch das Heil Frankreichs. Tatsächlich scheinen die meisten Franzosen ein doppeltes Spiel zu spielen. Sie finden sich mit der deutschen Besatzung ab und leisten zugleich Widerstand gegen den Besatzer. 1944 wendet sich das Blatt, jetzt halten die Amateurfilmer die Niederlage der Deutschen fest, die den Weg von 1940 in entgegengesetzter Richtung nehmen. Die Rollen kehren sich um. Im August des Jahres werden die 20.000 deutschen Soldaten, die sich noch in Frankreich aufhalten, gefangen genommen. Die Franzosen spucken ihnen ins Gesicht, beschimpfen sie und zahlen ihnen die Erniedrigung heim, die sie vier Jahre am eigenen Leib erfahren haben. Die Dokumentation schließt mit dem Fazit, dass es auf beiden Seiten Gefühle der Erniedrigung gab: bei den Deutschen, weil sie Adolf Hitler Gefolgschaft geleistet haben; und bei den Franzosen, weil sie vier Jahre lang nach dem Zusammenbruch von 1940 von anderen befreit wurden.