Zitat von ArteMittwoch, 22. September 2010 um 20.15 Uhr Wiederholungen: Keine Wiederholungen Das Rote Kreuz im Dritten Reich (Deutschland, 2006, 52mn) HR Regie: Christine Rütten
Die Opfer der Shoah konnten während der Nazizeit keine Hilfe vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes in Genf erwarten. Lange berief sich das IKRK darauf, nur für die Kriegsgefangenen ein völkerrechtliches Mandat gehabt zu haben. Der Dokumentarfilm sucht nach den wahren Gründen und zeichnet das skandalöse Verhalten des IKRK nach.
Das rote Kreuz auf weißem Grund ist ein Symbol für Menschen in Not. Vor allem in Kriegszeiten blickten die Opfer hoffnungsvoll auf das Internationale Komitee des Roten Kreuzes in Genf. Doch die, die unter dem Naziterror am dringendsten Hilfe gebraucht hätten, die Opfer der Shoah, hofften vergebens. Nach dem Krieg berief sich das IKRK lange darauf, nur für die Kriegsgefangenen ein völkerrechtliches Mandat gehabt zu haben. Die Dokumentation belegt, wie wenig stichhaltig diese Argumentation ist. Neuere Erkenntnisse der historischen Forschung belegen, dass ein Engagement für die Millionen im deutschen Machtbereich mit dem Tode bedrohten Menschen jüdischen Glaubens und sogenannter "jüdischer Abstammung" wohl vor allem aus Rücksicht auf die Interessenlage der Schweiz unterblieb. Hinzu kam, dass auch die IKRK-Führung nicht frei war von antisemitischen Ressentiments. Zudem schien eine Einmischung im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz nicht opportun. Dort waren Juden längst ausgeschlossen und die leitenden Positionen mit Nationalsozialisten besetzt. Im Frühjahr 1942 teilte das Deutsche Rote Kreuz dem IKRK in Genf lapidar mit, Nachforschungsanfragen nach sogenannten "nichtarischen" KZ-Häftlingen und Vermissten könnten nicht mehr bearbeitet werden. Selbst die ohnehin seltenen Inspektionen von Konzentrationslagern durch das Rote Kreuz brachten keine Hilfe. Im Gegenteil, der Bericht des IKRK-Delegierten, des Arztes und Offiziers der Schweizer Armee, Maurice Rossel über seinen Besuch des Konzentrationslagers Theresienstadt fiel so freundlich aus, dass die NS-Propaganda ihn gern zitierte (vergleiche auch die ARTE-Produktion "Ein Lebender geht vorbei", von Claude Lanzmann). Beispiele anderer IKRK-Delegierter beweisen, dass Vertreter des Roten Kreuzes durchaus die Möglichkeit hatten zu helfen. Die Würdigung des Engagements und des Muts Einzelner lässt das Versagen der Mehrheit umso deutlicher werden. Ein Versagen, das seine tragische Fortsetzung in der Nachkriegszeit fand, als das IKRK die Verantwortung für den Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen übernahm. Verzweifelt wandten sich Überlebende der Shoah an den Suchdienst, um etwas über das Schicksal ihrer Angehörigen in Erfahrung zu bringen. Und wieder mussten viele der NS-Opfer erfahren, wie das IKRK sie im Stich ließ. Filmautorin Christine Rütten zeichnet das skandalöse Versagen nach.