Wiederholungen: Keine Wiederholungen Schlacht um Algier (Italien, Algerien, 1965, 116mn) ARTE F Regie: Gillo Pontecorvo Drehbuch: Franco Solinas Kamera: Marcello Gatti Musik: Ennio Morricone, Gillo Pontecorvo Schnitt: Mario Morra, Mario Serandrei Darsteller: Brahim Haggiag (Ali-la-Pointe), Jean Martin (Colonel Mathieu), Yacef Saadi (Kader/er selbst), Samia Kerbash (ein Mädchen), Ugo Paletti (Capitain), Fawzia El Kader (Halima) Produktion: Casbah, Igor Films Produzent: Antonio Musu, Yacef Saadi
Algier, 1957: Die "Nationale Befreiungsfront" rüstet zum Widerstand gegen die französische Kolonialherrschaft in Algerien. Während Ali-la-Pointe vom Kleinkriminellen zum Guerillaführer der Kasbah von Algier aufsteigt, greifen die französischen Truppen des Colonel Mathieu immer härter durch. Um die Drahtzieher der Untergrundorganisation zu finden, benutzen sie Foltermethoden, die den Attentaten der Algerier an Grausamkeit in nichts nachstehen.
Algerien, 1957: In Algier halten die französischen Truppen unter Colonel Mathieu das Heft in der Hand. Nach dem erfolglosen Kampf in Indochina sind die Franzosen fest entschlossen, ihre letzte Kolonie nicht aufzugeben. Doch im Untergrund organisiert die "Nationale Befreiungsfront" (FLN) den blutigen Widerstand. Ihr Ziel ist ein unabhängiger, islamischer Staat Algerien. Ali-la-Pointe entwickelt sich vom Straßengauner zum Attentäter und schließlich zum Chef-Guerillero der Kasbah, dem autonomen historischen Kern Algiers. Zunächst gelten die Anschläge der Aufständischen einzelnen Polizisten und Militärs, bald töten ihre Bomben auch französische und arabische Zivilisten. Die Organisation der Befreiungskämpfer baut auf Anonymität. Keiner von ihnen kennt mehr als zwei seiner Mitstreiter. So scheint es für Colonel Mathieu fast aussichtslos, die Drahtzieher ausfindig zu machen. Als es zum Generalstreik kommt, greift er zu drastischen Mitteln. Seine Soldaten sollen die Gefangenen durch Folter zum Reden bringen. Die Gewalt der einen Seite spiegelt sich so in der Grausamkeit der anderen. Und auch als der Colonel das Versteck von Ali-la-Pointe ausfindig macht, ist der Kampf noch nicht entschieden.
Ganz dem dokumentarischen Realismus verschrieben, erzählt der italienische Regisseur Gillo Pontecorvo in "Schlacht um Algier" die wichtigsten Ereignisse des Algerienkriegs (1954-1962) nach. Das Ende des Kriegs bedeutete auch das Ende der IV. Französischen Republik und - mit dem Vertrag von Evian - die Unabhängigkeit Algeriens. Der Vorschlag, einen Film über die Befreiungskämpfe zu drehen, kam von der jungen algerischen Regierung. Doch Pontecorvo lehnte das vorhandene Drehbuch als Glorifizierung dieser Kämpfe ab und schrieb zusammen mit seinem bewährten Mitarbeiter Franco Solinas nach sechsmonatigen Recherchen ein eigenes. Trotz der historischen Nähe - der Film entstand nur drei Jahre nach der Unabhängigkeit Algeriens - gelang es Pontecorvo, eine erstaunlich ausgeglichene Darstellung der Kriegsgeschehnisse auf die Leinwand zu bringen. Denn in dieser Betrachtung über die Gräuel gewaltsamer Konflikte findet der Standpunkt beider Parteien, Franzosen wie Algerier, seinen Raum. Dennoch gab es in Frankreich so viele Widerstände dagegen, dass der Film dort erst 1971 gezeigt werden konnte, obwohl er 1966 beim Festival von Venedig einen Goldenen Löwen gewann und in drei Kategorien (bester ausländischer Film, bestes Drehbuch, beste Regie) für den Oscar nominiert war. Zweckentfremdet wurde Pontecorvos Film, der die "moderne" Kriegsführung anprangern wollte, als er in den 70ern Jahren in lateinamerikanischen Ländern vom Militär zur Unterweisung in Foltermethoden genutzt wurde. Für die Besetzung verließ sich Pontecorvo fast ausschließlich auf die Intuition von Laiendarstellern, die die Kriegsgeschehnisse selbst unmittelbar erlebt hatten. Allein die Rolle des Colonel Mathieu war mit Jean Martin professionell besetzt. Der frühere FLN-Führer Yacef Saadi betreute die Produktion auf algerischer Seite und spielte sich selbst. Pontecorvo drehte mit besonders grobkörnigem Schwarz-Weiß-Filmmaterial, um seinen Bildern einen möglichst realistischen Nachrichten-Charakter zu geben. Auch bei der Filmmusik bewies er bestes Gespür. Er engagierte den damals noch wenig bekannten Ennio Morricone ("Spiel mir das Lied vom Tod", 1968, "Hamlet", 1990, "In the Line of Fire", 1993), um mit ihm zusammen die Themen des Films auszuarbeiten. Die meisterhafte Umsetzung in Musik, Bild und Schnitt, gepaart mit der Authentizität des Schauspiels, machen Pontecorvos Hauptwerk zu einem der beeindruckendsten Kriegsfilme, der weit über die konkreten Ereignisse hinausdeutet.