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Dieses Thema hat 39 Antworten
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 Historie und Politik
Seiten 1 | 2
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

28.11.2007 14:42
Mythos Prokhorovka Antworten
Der Mythos von Prokhorovka

Da ich gerade Prokhorovka spiele, habe ich mich mal ein bisschen damit befasst. Herausgekommen ist Folgendes:

Im Sommer 1943 waren die Sowjets taktisch immer noch weit unterlegen. Vor allem in der Panzerkriegsführung.
Strategisch gesehen, gelingt ihnen ein Meisterstück der Maskirovka. Das Tarnen und Täuschen einer ganzen Front (Steppenfront) in der Weite des Raumes.
Eigentlich als Reserve für die Sommeroffensive vorgesehen, wird die Front aber eilig in die Schlacht geworfen, als die Voronescher Front einbrach.
Ziel war es, die dt. Panzerkeile einzukreisen und zu vernichten. Ein modernes ‚Cannae’ sollte stattfinden.

Nun zum Mythos:
Wir haben es ja alle schon gehört: Kursk allgemein und Prokhorovka im Speziellen, seien der eigentliche Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs, der Schwanengesang der dt. Panzerwaffe gewesen.
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

28.11.2007 14:44
Mythos Prokhorovka Antworten
Prokhorovka war die größte Panzerschlacht des Krieges, in der mind. 1500 Panzer aufeinander prallten. 850 sowjetische und 700-800 dt. Was ist nun dran am Mythos?
Urheber war Generalleutnant Rotmistrov, dessen 5. Gardepanzerarmee erlitt am 12. Juli 1943 gewaltige Verluste. Wie es scheint, ging er einfach nur in die Offensive und schmückte die Schlacht ‚etwas’ aus. Vielleicht als Rechtfertigung vor Stalin?
Diese Mythen, von Rotmistrov eingeführt, werden heute auch weitgehend in westlicher und deutscher Geschichtsschreibung so hingenommen. Warum nur? Es gibt sehr gute Quellen und die sowjetischen Archive werden sicher auch noch einiges zu Tage fördern.
Wollen wir einmal einzelne Aspekte beleuchten.
1500 Panzer prallen in einem Areal von 500x1000m in einer offenen Feldschlacht aufeinander? Geht das?

Das II. SS-Panzerkorps soll allein 300 oder 400 Panzer verloren haben? Es hat aber während der gesamten ‚Zitadelle’ nur Totalausfälle von 33 Panzern und StuG (Geheime Kommandosache: Ausfälle Heeresgruppe Süd, Stand 17.7.1943 (Bl.74), BA-MA, RH 10/64; Anm. Im Allgemeinen sind die Zahlen aus den deutschen Akten als verlässlich anzunehmen).

Das II. SS-Panzerkorps verlor Panther und Ferdinande. Es hatte aber gar keine im Bestand.
Das Korps verlor 70 Tiger. Am 12. waren aber nur 5 im Abschnitt Prokhorovka eingesetzt. Beide Divisionen (‚Reich’ und ‚Leibstandarte’) führten am 12. nur 117 Panzer, 37 StuG und 32 PzJäger (=186) in den Kampf (aus den Tagesmeldungen der Divisionen ‚Reich’ und ‚Leibstandarte’).

Rotmistrov hatte 838 Kampfwagen und 96 im Anmarsch (Zamulin, Prochorovka, S.611), und setzte 672 davon ein.

Das sind insgesamt aber keine 1500.
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

28.11.2007 14:46
Mythos Prokhorovka Antworten
Zur Schlacht am 12. Juli 1943
‚Leibstandarte’ steht um die Höhe 252,2 herum, als am Morgen der Angriff beginnt. Die Masse der Sowjetpanzer (XXIX. Panzerkorps mit 212 Kampfwagen) rollt einfach durch die Deutschen (mit 7 Panzern) auf der Höhe hindurch und der Sieg ist zum Greifen nahe.
Dann das Unglaubliche: Die Sowjets hatten ihren eigenen Panzergraben hinter der Höhe vergessen! Reihenweise fahren die Panzer in den 4m tiefen Graben oder werden beim Versuch die Zugangsstraße zu erreichen abgeschossen. Das XXIX. Panzerkorps soll 118 Totalverluste gehabt haben (Zamulin, Prochorovka, S. 401 und eine russische Quelle, die ich nicht lesen kann).
Auch das XVIII. Panzerkorps verliert 55 Panzer (Gefechtsmeldung, allerdings auf russisch).

Bilanz:
Urheber des Mythos ist General Rotmistrov, ein überaus fähiger Panzergeneral. Aber Gesamtverluste von 235 Panzern und 3563 Soldaten (verschiedene Quellen) müssen irgendwie gerechtfertigt werden. Allerdings muss hier betont werden, dass an der Beschönigung genauso General Vatutin (OB Voroneschfront) und dessen Kriegsrat Cruschtschow (ja, der) beteiligt waren. Von Vatutin stammte nämlich der Angriffsplan vom 12. Juli.
Letztlich trägt auch Stalin seine Verantwortung für das Debakel. Er gab den Angriffsbefehl für den 12. Juli. Da hatte der deutsche Angriff aber seinen Kulminationspunkt noch nicht erreicht.
Die Deutschen hatten keinen Totalverlust an Panzern(Geheime Kommandosache: Ausfälle Heeresgruppe Süd, Stand 12.07.1943 (Bl.48), BA-MA, RH 10/64). Aber drei Panzer konnten nicht geborgen werden. Dazu kommen 235 Mann Verluste.
Taktisch gesehen ein Fiasko für die Sowjets.
Operativ gelang es die dt. Panzer zeitweise aufzuhalten. Das moderne ‚Cannae’ scheitert aber.
Strategisch ein Misserfolg, da Rotmistrovs Panzer nicht mehr wie geplant für die Sommeroffensive zur Verfügung standen.

Selbst wenn man annimmt, dass Rotmistrov den Zeitraum vom 12.-16. Juli meint, kommt man nicht auf solche Zahlen. Das II. SS-Panzerkorps verlor in diesem Zeitraum nämlich nur 13 Panzer (Geheime Kommandosache: Ausfälle Heeresgruppe Süd (nur Totalverluste), Stand 10.7 bzw. 16.7.1943 (Bl22 bzw.73), BA-MA, RH 10/64) und Rotmistrov selber 334 (russische Quelle, kann ich nicht lesen).

Die Schlacht von Prokhorovka fand also allenthalben auf einem viel kleineren als dem beschriebenen Level statt.

Clu
ziemann Offline

Verbalkanonier


Beiträge: 638

28.11.2007 23:51
Mythos Prokhorovka Antworten
aber hallo! danke für die aufschlussreichen informationen....
in der dokumentation "die geschichte der wehrmacht" (author und sowas leider unbekannt) war die rede davon, dass der eigentliche wendepunkt im osten bereits im november '42 vor moskau war!
Gerd Offline

Oberst d. Fernschreiber


Beiträge: 2.767

29.11.2007 01:11
Mythos Prokhorovka Antworten
Der Artikel von Wikipedia befasst sich ebenfalls mit diesem Thema und auch mit den Zahlen, die von russ. Seite verwendet wurden.
Sollte man sich einmal genauer ansehen.
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

29.11.2007 11:48
Mythos Prokhorovka Antworten
Hier der Link.


 http://de.wikipedia.org/wiki/Prochorowka 


Bitte bis zum Ende lesen. Das Wichtige steht am Schluss.

Clu
Rayydar Offline

Generalspammarschall


Beiträge: 11.943

29.11.2007 18:50
Mythos Prokhorovka Antworten
Ohne dass ich jetzt (bei der Arbeit) in die Details gehen kann:
Der deutsche Wiki-Artikel ist ziemlich schlecht geschrieben und historisch m.E. nicht völlig korrekt.
Lest besser die englische Version!
Rubberduck Offline

Stabsschreiber


Beiträge: 912

29.11.2007 21:18
Mythos Prokhorovka Antworten

Quote:
aber hallo! danke für die aufschlussreichen informationen....
in der dokumentation "die geschichte der wehrmacht" (author und sowas leider unbekannt) war die rede davon, dass der eigentliche wendepunkt im osten bereits im november '42 vor moskau war!



Das ist eine DVD aus dem Polar-Verlag. Die machen vornehmlich zeitgeschichtliche Dokus (und zwar recht gute!).
Ich habe diese DVD (ausserdem die DVD "Der Kessel von Demjansk").

Tatsächlich ist es so, dass mittlerweile der Wintereinbruch vor Moskau als Wendepunkt im Ost gilt. U.a. wird dies mit den hohen Verlusten an gut ausgebildeten Offizieren und vor allem Unteroffizieren begründet.

Prokhorovka wird vor allem aus 2 Gründen immer wieder aufgeführt (als Mythos ist mir diese Schlacht eigentlich noch nicht untergekommen):

- zum einen wird auf die erstmals vollends koordinierte und perfekt vorbereitete Verteidigung im Kursker Bogen verwiesen, da hier wirklich Mann und Maus zum Einsatz kamen (Panzersperren, Gräben, neue Gleisanlagen etc...)

- zum anderen wird immer wieder darauf verwiesen, dass die Angriffspläne der Deutschen den Russen bekannt waren. Hieraus lassen sich nun weitere Schlüsse ziehen. Wer hat einen Nutzen aus dieser Behauptung/Vermutung/Tatsache? Die Deutschen, die damit den für Sie katastrophalen Verlauf rechtfertigen, insbesondere wegen der eigentlich besseren Taktik und Technik? Katastrophal war die Schacht schon aus dem Grunde, da der Ostfront hiermit jedwede offensive Handlungsalternative genommen wurde und der weitere Verlust an (fähigen) Führern und Ausrüstung nicht mehr zu kompensieren war.
Oder eventuell doch die Russen? Dies erscheint mir recht unwahrscheinlich, da es trotz der Vorbereitung und der bekannten Pläne der Deutschen keinen eindeutigen Sieg im eigentlichen Sinne gegeben hat.
Obwohl hier auch noch eine andere Definition des Wortes Sieg vorherrschte. Es war schlicht gelungen einen großen Angriff der Deutschen vollends zu stoppen.

@Clu: Sehr gut recherchiert. Aber: Die Gesamtzahlen aus der Literatur beziehen sich nicht nur auf die Schlacht direkt bei Prokhorovka sondern auf den gesamten Kursker Bogen (Unternehmen Zitadelle). Hier wird leider immer sehr ungenau aufgeführt. Bei den angegebenen Zahlen handelt es sich eigentlich immer um ca. Angaben, wobei die Grundtendenz (1000 - 1500 Pz.) von allen Seiten der Historiker bestätigt wurde. Die von Dir genannten Zahlen mögen korrekt sein, sind aber für das Unternehmen Zitadelle viel zu gering.
Jo Offline

Verbalkanonier


Beiträge: 667

30.11.2007 09:11
Mythos Prokhorovka Antworten
Auch Dank an Clu für den sehr interessanten Thread. Die genannten Verlustzahlen beziehen sich in der Literatur wahrscheinlich immer auf den gesamten Verlauf von "Zitadelle".
Siehe hierzu auch das Buch"Unternehmen Zitadelle. Kursk und Orel: Die größte Panzerschlacht des 2. Weltkrieges" - empfehlenswert!
Das Thema der 400 russischen Panzer, die in ihren eigenen Panzergraben gerauscht sind, kannte ich noch nicht....

Ob nun Stalingrad, Moskau oder Kursk der grösste Sargnagel für die deutsche Kriegsführung im Osten war, bleibt dahingestellt, obwohl sich die Meinungen wohl am ehesten bei der gestoppten Offensive auf Moskau 1941 treffen.
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

03.12.2007 16:07
Mythos Prokhorovka Antworten
Hallo,
ich war am WE nicht da.

Und jetzt habe ich schlechte Laune.

Rubbi, du verbreitest ja gerade den Mythos. Ich habe doch anhand diverser Quellen nachgewiesen, dass die Schlacht von Prokhorovka am 12. Juli 1943 gerade nicht so ablief, wie vielerorts verbreitet wird.
Zu den Gesamtzahlen von ‚Zitadelle’ habe ich nicht ein Wort verloren.
Auch Rotmistrov bezieht sich nur auf Prokhorovka. Denn nach dem 12. war seine 5. Gardepanzerarmee gar nicht mehr an den Kämpfen beteiligt.

Alle Verlustzahlen, die ich genannt habe waren vom 12. Juli 1943 bei Prokhorovka. Und nicht für die gesamte 'Zitadelle'.

Noch ein paar Zitate:
Hausser, der Kommandierende General des II. SS-Panzerkorps, erwähnt zum 12. nur: ‚Panzerschlacht größeren Ausmaßes. Der Gegner konnte nicht durchbrechen, viele Panzer wurden abgeschossen.’ (Hausser, Waffen-SS im Einsatz, S.101)

Militärgeschichtliches Institut Moskau: ‚Trotz der (…) zahlenmäßigen Überlegenheit war es der 5. Garde-Panzerarmee nicht gelungen, der Schlacht eine entscheidende Wende zu geben. Gegen Abend gingen ihre Verbände nach dem Verlust von 500 Panzern und Sturmgeschützen zur Verteidigung über.’ (Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, Neuauflage Ende der 90er, Seite 269)
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

03.12.2007 16:11
Mythos Prokhorovka Antworten
Nun, da ihr es angesprochen habt, auch noch etwas zu ‚Zitadelle’ insgesamt.
Gesamtverluste an Panzern:
Models 9. Armee verlor bis 14. Juli insgesamt 41 Kampfpanzer, 17 StuG und 19 Jagdpanzer (Geheime Kommandosache: Ausfälle H.Gr. Mitte, Stand 14.7.1943 (berichtigt), Bl.12, BA-MA, RH 10/65; Geheime Kommandosache: Pz.Totalverluste (Orel-Bogen), Stand 14.7.1943 (berichtigt), Bl.71, BA-MA, RH 10/64.).
Die Heeresgruppe Süd verlor bis einschließlich 16. (der endgültige Haltebefehl im Süden) 161 Panzer (nur 10 Tiger) und 14 StuG (Geheime Kommandosache: Ausfälle H.Gr.Süd, Stand 16.71943 (Bl.73), BA-MA, RH 10/64).
Insgesamt 252 (BA-MA, RH 10/64 und 65)!
Aus mehreren Quellen berechnet, kommt man insgesamt zu folgenden Verlustzahlen:
Dt. Panzer: 252
Sowj. Panzer: 1614 bis 1956

Dt. Artillerie: unbekannt
Sowj. Artillerie: 3929+

Dt. Flugzeuge: 159
Sowj. Flugzeuge: 459 (‚offiziell’) bis 1961 (geschätzt)

Dt. Personal (Tote, Verwundete, Vermisste): 54182
Sowjetisches Personal: 177847 (‚offiziell’) bis 319000 (geschätzt)

Die deutschen Verluste waren also gar nicht so hoch, dass man von einer Entscheidungsschlacht sprechen kann. Allerdings sind ja nicht immer nur die reinen Zahlen ausschlaggebend. Die Ursachen des Misserfolges:
- Am 10. Juli landen die Alliierten auf Sizilien und kurz darauf lässt Hitler die Offensive stoppen. Er braucht Panzer in Italien.
- Laut Manstein war im Südabschnitt ein deutscher Sieg möglich, ja stand sogar kurz bevor (Manstein, Verlorene Siege, S.504). Da mag er durchaus Recht gehabt haben. Aber selbst bei einem Sieg, wäre es nur ein kurzes Aufbäumen gewesen. Allein die zahlenmäßige Überlegenheit hätte Manstein letztlich erdrückt (27 Armeen in diesem Frontabschnitt). Gleichzeitig hatten die Sowjets so viele Soldaten, dass sie am 17. Juli eine Offensive gegen den Südflügel der Heeresgruppe Süd und eine im Orelbogen starten konnten. Operativ hatte Manstein zwar die Argumente auf seiner Seite. Aber strategisch wäre nur ein ‚verlorener Sieg’ herausgekommen. Das Gesetz der Zahl sprach gegen einen deutschen Erfolg.
- Die Deutschen besaßen weder eine operative Reserve für die Ostfront noch eine strategische für Italien (daher wurde das II. SS-Panzerkorps aus der Front gelöst).
- Die Verzögerung des Angriffs durch Hitler. Manstein wollte direkt nach Charkow angreifen, als die Sowjets noch geschwächt waren. So hatten diese Zeit, sich einzugraben. Und die Westalliierten bekamen auch Zeit. So geschah die Landung auf Sizilien zeitgleich.
- Verzicht auf den Überraschungseffekt.
- Frontalangriff auf die stärkste Stellung des Gegners, kein freies Operieren.
Zusammen genommen war ‚Zitadelle’ also ein Misserfolg. Aber bei weitem nicht die Entscheidungsschlacht.

War ‚Zitadelle’, wie Konew (Konew, Aufzeichnungen eines Frontoberbefehlshabers, S.43) meinte, der 'Schwanengesang’ der deutschen Panzerwaffe?
Die bereits aufgezeigten wahren Verlustzahlen sagen etwas anderes. Zwar kam es nach Kursk zu einem kurzen Einbruch der Panzerzahlen. Aber Ende 1943 übertraf die Zahl der Panzer die vom Juli sogar.
Und erstmals gelang es der deutschen Industrie den sowjetischen Panzervorsprung zu überflügeln. Der Tiger war ein Monster. Er besiegte im Frontalkampf (wie in der Kursker Steppe üblich) jedes sowjetische Modell spielend.
Der Panther litt an zahlreichen ‚Kinderkrankheiten’. Guderian und Speer wollten ihn eigentlich gar nicht einsetzen. Aber Hitler bestand darauf. Am 13. Juli hatte sich die Zahl der einsatzbereiten Panther von 19 auf gerade mal 43 erhöht. Dennoch schossen die Panther bis 15. Juli 269 Panzer ab. Genauso viele wie der Rest des XXXXVIII. Panzerkorps. Heute wird der Panther als bester Panzer des 2. Weltkrieges betrachtet.
Der Ferdinand. War erstmal nur eine Behelfskonstruktion um die Zeit bis zum Jagdpanther zu überbrücken und dann wurde er auch noch falsch, offensiv statt defensiv, eingesetzt. Trotzdem erreichte das Fahrzeug in der Defensive Beachtliches. Die schwere Panzerjägerabteilung 653 zerstörte zwischen 5. und 27. Juli 320 Sowjetpanzer bei 13 eigenen Verlusten (Münch, Einsatzgeschichte, S.45).
Der PIV-H war im Punkt Durchschlagskraft dem T-34 ebenso überlegen.
Technisch-taktisch geschieht also ein qualitativer Umschwung zugunsten der deutschen Panzerwaffe.

Ich halte mehrere Faktoren für den Umschwung des Krieges für verantwortlich. Mal davon abgesehen, dass er, als Mehrfrontenkrieg, eigentlich gar nicht zu gewinnen war. Da wären:
- Leningrad wurde nicht erobert.
- Der Winter 41/42 vor Moskau.
- Das Rennen zum Kaukasus und gleichzeitig nach Stalingrad war nicht machbar.
- Stalingrad. Winter 42/43.
- Zeitgleich El Alamein und das Ende in Nordafrika (Warum waren die Deutschen noch gleich dort?)
- Zeitgleich Wende im U-Bootkrieg.
- Neue Front in Italien führt zur Kräftesplitterung.
- Untergang der Heeresgruppe Mitte und Landung in der Normandie Sommer 44.
Kursk zähle ich nicht dazu.
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

03.12.2007 16:12
Mythos Prokhorovka Antworten
Und Gott sei Dank haben die Deutschen den Krieg nicht gewonnen. Ich will mir gar nicht vorstellen, was dann noch passiert wäre.

Clu
Rayydar Offline

Generalspammarschall


Beiträge: 11.943

03.12.2007 17:24
Mythos Prokhorovka Antworten
Hmmm ... alles schön und gut - aber was 'nützt' es, wenn am 12. Juli 1943 bei Prokhorovka nur drei (?) deutsche Panzer verlorengingen, jedoch die Panzerwaffe an sich mit der 'Zitadelle' zugrunde gerichtet wurde?

Zitat des Generalinspekteurs der Panzertruppen Heinz Guderian - und der war nicht so apologetisch veranlagt wie Manstein:

Quote:
Wir hatten durch das Mißlingen der "Citadelle" eine entscheidende Niederlage erlitten. Die mit großer Mühe aufgefrischten Panzerkräfte waren durch die schweren Verluste an Menschen und Gerät auf lange Zeit verwendungsunfähig.

- Erinnerungen eines Soldaten, S. 283

An anderer Stelle habe ich gelesen, dass z.B. die SS-TK dermaßen ausgeblutet war, dass sie aus der Front gezogen werden musste (Quelle leider nicht gegenwärtig).

Über die Zahl der Kampfpanzer vor und nach der Zitadelle scheint es ebenfalls widersprüchliche Informationen zu geben. M.W. trugen danach die Sturmgeschütze und Jagdpanzer die Hauptlast.
Aber selbst wenn es hinterher mehr Kampfpanzer gab - die erfahrenen Besatzungen fehlten! Das ist dasselbe wie bei der Luftwaffe, für die es 1944 mehr Flugzeuge denn je gab - aber eben keine gut ausgebildeten Piloten mehr.

Fazit:
Die Niederlage im Ostkrieg begann natürlich schon 41 vor Moskau. Stalingrad war eine enorme moralische Schwächung (bzw. Stärkung der Sowjets). Aber die Zitadelle war der Sargnagel. Ab dann waren nicht mal mehr begrenzte operative Gegenstöße bzw. eine aussichtsreiche Verteidigung möglich.
Rubberduck Offline

Stabsschreiber


Beiträge: 912

03.12.2007 20:36
Mythos Prokhorovka Antworten

Quote:

Und jetzt habe ich schlechte Laune.

Rubbi, du verbreitest ja gerade den Mythos. Ich habe doch anhand diverser Quellen nachgewiesen, dass die Schlacht von Prokhorovka am 12. Juli 1943 gerade nicht so ablief, wie vielerorts verbreitet wird.
Zu den Gesamtzahlen von ‚Zitadelle’ habe ich nicht ein Wort verloren.



Ja und Nein. Die Problematik liegt in der allgemein schwammigen Darstellung dieses gesamten Schlachtverlaufes Orel-Kursk-Prokhorovka-Zitadelle. Deine Darstellung ist ja korrekt (jedenfalls nehme ich das mal stark an).

Ich denke, dass Prokhorovka in der geschichtlichen Darstellung so eine Art Platzhalter für den gesamten Verlauf der Schlacht einnimmt bzw. zugewiesen bekommt. Speziell die große Anzahl an Panzern im direkten Vergleich beflügelt so manche Fantasie.

Für mich ist Prokhorovka wirklich nur ein Ort im Unternehmen Zitadelle. Von daher finde ich es ein wenig komisch (fand ich eigentlich schon immer), dass nur diese Ort so überdeutlich hervorgehoben wurde/wird.

Trotzdem mal dickes Lob für Deine Recherche Das die Schlacht tatsächlich so viel unbedeutenden war, war mir ehrlich gesagt noch nicht bewusst.

@Rayy: Das Buch von Manstein habe ich noch nicht gelesen, obwohl es schon seit 2 Jahren bei mir im Regal steht. On Manstein apologetischer ist als Guderian sei mal dahingestellt. Ihm wurde nur schon immer eine gewisse Eitelkeit und Arroganz nachgesagt. Naja, laut Aussage von Herrn Churchill war Manstein 1943 der gefährlichste Mensch der Welt. Auf diese Lob des englischen Warmbiertrinkers kann man sich ja fast schon was einbilden
Rayydar Offline

Generalspammarschall


Beiträge: 11.943

03.12.2007 21:10
Mythos Prokhorovka Antworten

@Ducky:

Zu Guderian s. <a target="_blank" href="t84423114f012-Forum.html">t84423114f012-Forum.html</a>

Ich gebe zu, ich bin ein Fan von ihm. Der war viel zu trocken, um sich irgendwelche Zahlen aus den Fingern zu saugen.

'Verlorene Siege' habe ich zwar auch gelesen, aber es war mir keine Kritik wert. Manstein als der bessere GröFaZ, naja ...



Zurück zum Thema:

Ich denke auch, dass man Prokhorovka nicht losgelöst vom Rest des Unternehmens sehen kann. Und die Zitadelle insgesamt war nun mal - gemessen an den Zielen - eine Niederlage.

Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie mal war.

sigurd Offline

Postingschütze

Beiträge: 148

03.12.2007 22:26
Mythos Prokhorovka Antworten
Habe mir mal erlaubt in John Keegans Buch "Der zweite Weltkrieg" nachzuschlagen. Auf Seite 687 gibt er an: Zitat: "Mehr als 300 deutsche Panzer (darunter 70 Tiger) ..lagen zerstört in der Steppe" Zitat Ende.
Leider ohne Angabe der Quelle.
Falls wir mal wieder einen richtigen Winter bekommen, schaffe ich es bestimmt auch das Buch mal zu lesen.
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

04.12.2007 10:10
Mythos Prokhorovka Antworten
Und deshalb ja auch nach den reinen Zahlen auch noch mal eine Gesamtbewertung von 'Zitadelle'. Ich schreibe doch auch ganz klar, dass es ein Misserfolg war.
Aber mal davon abgesehen, drehte sich das Thema eigentlich um den Mythos Prokhorovka.
Es ging also nur um die Schlacht am 12. Juli zw. 'Reich' und 'Leibstandarte' auf der einen Seite ('Totenkopf' kämpfte nördlich des Psel, wenns interessiert kann ich ja auch deren Verluste recherchieren) und Rotmistrovs 5. Gardepanzerarmee auf der anderen Seite.
Die Ausführungen zu 'Zitadelle' machte ich als Antwort auf eure Zweifel. Und an Manstein kann man genauso zweifeln wie an Guderian und allen anderen Biografien und Erinnerungen. Aber die Panzerverluste kommen aus dt. Akten. Und wir alle kennen die deutsche Bürokratie. Da diese Zahlen vermehrt auch durch sowjetische Archive gestützt werden, sehe ich Prokhorovka (und 'Zitadelle') mittlerweile etwas differenzierter. Auf jeden Fall nicht als die Schlacht von 1500 Panzern (Prokhorovka) oder den Schwanengesang der dt. Panzerwaffe ('Zitadelle').

Clu
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

04.12.2007 11:17
Mythos Prokhorovka Antworten
'Totenkopf ' verlor vom 5. bis 16. Juli 1943 insgesamt 2 PIII, 8 PIV, 1 Tiger und 1 StuG.
Die schwersten Verluste hatte die 10. PzBrigade mit 42 Panthern (beides BA-MA, RH 10/64 und 65). Wobei die meisten Panther aber wegen Defekt ausgefallen sein dürften.
Clu Offline

Schreibtischgeneral


Beiträge: 4.080

04.12.2007 11:58
Mythos Prokhorovka Antworten

Quote:
Aber die Zitadelle war der Sargnagel. Ab dann waren nicht mal mehr begrenzte operative Gegenstöße bzw. eine aussichtsreiche Verteidigung möglich.



Im Übrigen waren die Deutschen sehr wohl noch in der Lage für Großoffensiven. Z.B. im Februar/März 1945 durch die 6.SS-Panzerarmee in Ungarn, die Ardennenoffensive (natürlich im Westen – hätte aber genauso gut im Osten stattfinden können) oder Operation Doppelkopf, die ich kurz beispielhaft vorstellen möchte.

Operation Doppelkopf 16.8. bis 26.8. 1944
Ziel war es eine Verbindung zwischen Heeresgruppe Nord und Mitte zu schaffen.
Strategisch geling ein deutscher Sieg. Zwar wird Schaulen nicht erreicht. Aber die Verbindung der Heeresgruppen wird erzielt. Und ‚Bagration’ wird abgebrochen.
Beteiligt auf deutscher Seite das XXXIX. PzKorps mit 4., 5. und 12. PzD+Gruppe Strachwitz und XXXX. PzKorps mit 14., 7. und GD und 1. ID mit immerhin 141 Pz und 54 StuG (PzAOK 3, Ia Nr. M 915/44 geh. Vom 17.8. 1944: Ia Tagesmeldung; Nachmeldung Ziffer 6, BA-MA, RH 21-3/v.375). Bis 26.8. steigen die Zahlen auf 299.
Der Operationsraum betrug 180x50 km. Also eine Großoperation!

Dennoch sind solche Operationen nur von kurzfristigen Erfolgen geprägt. Die alliierte Masse ist zu dem Zeitpunkt einfach alles überragend.
Eine aussichtsreiche Verteidigung natürlich schon lange nicht mehr möglich.

Clu
Rubberduck Offline

Stabsschreiber


Beiträge: 912

04.12.2007 19:36
Mythos Prokhorovka Antworten
Mensch Clu, sehr gutes Quellenstudium. Aber dafür sind Jura Studenten ja berüchtigt

Hast Du die Quellen in Papierform, oder sind dies online Quellen?

Ich bin gerade erst dabei mir eine eigene umfangreiche "Bibliothek" aufzubauen.
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